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Ein drei-Tage Wochenende, erneut eine gute Möglichkeit, Tokio für einen kleinen Ausflug ins Umland zu verlassen.
Wie es so üblich ist in meiner Firma, wurde am Freitag Abend zuerst noch das allmonatliche Gruppen-Meeting (Start 18:30 Uhr) sowie ein folgendes Abteilungs-Abendessen samt Bowling angesetzt - damit ja niemand Langeweile oder Entzugserscheinungen von der Firma und den Kollegen entwickelt. Hiervor habe ich mich aber mal wieder gedrückt, insbesondere aus Gründen des "Split-the-Bills", der sehr penetranten Tabakfront unter der Mehrheit meiner Kollegen sowie dem obligatorischen Karaoke - sollen die sich doch vergnügen dabei, ich bin lieber rechtzeitig ins Wochenende gegangen, um Samstag morgens zeitig aus dem Bett zu kommen.
Auch habe ich gelernt, dass man Japaner VOR einem langen Wochenende besser nicht nach ihren Plänen fragen sollte. Sonst bekommt man nur so deprimierende Antworten wie "Ach, ich werde morgen [SAMSTAG] arbeiten gehen" , mit denen man als nicht-Europäer intellektuell nicht wirklich umgehen kann (Ich fühle mich dann immer, als würde ich mit meinem Kopf gerade gegen einen zu niedrig hängenden Holzbalken laufen).
Also, Samstag morgen, raus aus Tokio. Ziel unserer Reise sollte der Ort Toi sein, gelegen an der östlichen Küste der Izu-Halbinsel.
Izu hat laut http://www.infomapjapan.com/hstore/200612-spfeature2.phtml#toi über 60 Badeorte mit heißen Quellen, die jährlich von 40 Mio. Gästen besucht werden. Das ist schon eine Nummer. Vieles davon werden wohl one-night/two-days-Gäste aus Tokio sein.
Luftlinie zwischen unserem Betonklotz in Hikarigaoka, Tokio und Toi ca. 120 km; mit verschiedenen Zügen (ohne den superteueren Shinkansen) 5-6 Mal umsteigen sowie einem Bus am Ende der Strecke dauert die Reise gute 6 Stunden. Teilweise, weil es am Ende durchs Gebirge geht, aber hauptsächlich wegen der Trägheit lokaler Verbindungen, die ihre Namen "Express" oder "Rapid-Express" nicht wirklich verdient haben. Landschaftstechnisch gibt es während der Fahrt nichts Tolles zu sehen. Erst auf dem letzten Stück, das wir per Bus absolvieren mussten, sind überall an den klaren Bergbächen die Anbauflächen für Wasabi zu sehen, die sich terrassenartig an die Berghänge schmiegen.
Gegen 15:30 Uhr sind wir dann in Toi angekommen.
Toi liegt direkt am Meer, hat gute 5.000 Einwohner und ist einer der vielen Spa-Orte, in denen es natürliche heiße Quellen gibt - Onsen. In Toi kommt das Wasser mit 53C aus dem Boden, muss also nochmal gut runtergekühlt werden, um als Badewasser Verwendung finden zu können. [Ich glaube, Japaner bevorzugen Temperaturen zwischen 40-43 Grad, und die ganz Extremen schaffen es sogar bis 49C ungekocht wieder aus der Wanne zu kommen].
Unsere Unterkunft war typisch japanisch. Familienunternehmen, klein, 5-6 Zimmer. Alle ohne Schloss. Das Ehepaar ist sehr nett, die Dame redete ziemlich viel.
Unser Zimmer war eine typische Ryokan-Unterkunft, also ein Zimmer, Tisch, Kühlschrank und Fernseher. Tatami-Matten. Futon wird am Abend hergerichtet.
Das Ryokan hatte zwei Bäder, die man sich für 30 Minuten "privatisieren" kann - was eher ungewöhnlich ist, da in japanischen Onsens sonst alles prüde getrennt nach Männlein und Weiblein badet (bei der gesellschaftlich-sozialen Entwicklungsstufe der japanischen Männer wohl eher aus Sicherheitsgründen zu erklären als aus kulturellen oder historischen Gründen).
Da es bei unserer Ankunft angefangen hatte zu regnen, sind wir gleich Richtung Bad verschwunden. Selbst das heruntergekühlte Heilwasser (welche und wie viele Chemikalien genau darin rumschwimmen, habe ich vergessen) war definitiv zu heiß, also mussten wir mit kaltem Leitungswasser nachhelfen. Aber selbst dann, nach 15 Minuten hatte ich genug von im Wasser sitzen und schwitzen. Ist schon seltsam, wenn auch sehr erholsam.
Gegen 18:15 Uhr gab es dann Abendessen im Ryokan. Also auf unserem Zimmer. Und zwar in rauen Mengen. Ich habe wohl etwas mehr als die Hälfte zu mir nehmen können, alles andere ging einfach nicht mehr. Sehr lecker. Alles frisch aus dem Meer geholt und auf unsere Teller. In Deutschland wohl unbezahlbar, hier pro Person inklusive Übernachtung im Ryokan und Thermalbad knappe 50 Euro. Durchaus in Ordnung.
Am nächsten Morgen haben wir uns nach dem Frühstück gleich zur ehemaligen Goldmine (Kinzan) in Toi begeben. Diese (in Japan) berühmte Mine wurde 1577 entdeckt und im 17. und 18. Jahrhundert ausgebeutet - heute gibt es mehr als 100km lange Stollen durch den Berg.
Einen Teil davon kann man besichtigen, und drum herum wurde die für Japan übliche Tourismusinfrastruktur gebaut: riesiger Busparkplatz, mehrere Museen mit Ausstellungen die seamless in diverse Museumsshops übergehen. Und hier in Toi noch eine Halle, in der man Gold mit Blechpfannen waschen konnte.
Highlight ist natürlich die Wanderung durch die alten Stollen. Zwar haben die hier überall lebensgroße Figuren aufgestellt, um den Alltag in der Mine zu veranschaulichen, hätte aber schlimmer sein können. Die meisten anderen japanischen Touristen sind hier nur schnell durchgerannt, was wohl auch an der 110%-igen Luftfeuchtigkeit und dem überall quellenden 53C warmen Quellwasser lag - diese Bedingungen werden von den Japanern wohl als eine Art "Beleidigung" angesehen, darum die direkte Flucht in Richtung klimatisiertem Souvenirshop.
War wohl richtig anstrengend hier zu arbeiten, viele Kleidungsstücke haben die Arbeiter und Arbeiterinnen nicht getragen. Und irgendwo mitten im Berg gab es sogar eine kleine Grotte, wo gebadet werden konnte.
(Da wir gerade American Gangster im Kino geschafft hatten, hätte ich mir die damalige weibliche Belegschaft auch ohne die Pappfiguren vorstellen können)
Im Museum konnte man dann allerhand Kristalle und Gestein begutachten, einige davon importiert aus dem Erzgebirge! In einer Vitrine gab es den weltweit grössten gegossenen Goldbarren zu sehen, hergestellt 2005, eingetragen im Guinness-Buch der Rekorde. Ein Titel wie dieser macht in Japan einiges her, wobei sich mir Sinn und Zweck nicht ganz erschlossen hat. Wo ist die genaue Leistung, den grössten Goldbarren zu gießen? Und warum ist er im Umfeld einer Goldmine ausgestellt, die seit dem 18. Jahrhundert kein Gold mehr hergibt? Aber darüber mache wohl nur ich mir Gedanken....
Touristisch ist Toi nicht wirklich entwickelt. Einige große hässliche Betonhotels wurden, vermutlich in den 1970er - 1980er Jahren, unmittelbar an die Bucht gebaut. Da gibt es auch einen kleinen Strand, der im Sommer sicherlich sauberer sein wird als heute. Und an/in den Klippen und Berghängen haben sich ebenfalls große Hotels eingenistet, eines unförmiger als das andere.
Immerhin ist das Meerwasser kristalklar.
Die (Panorama-) Straße entlang der Küste ist zwar relativ neu, aber irgendwie haben die Verkehrsplaner bzw. die Verwaltung nicht an Fußgänger oder Radfahrer gedacht, so dass wir uns bei unserem kurzen Spaziergang auf dem Randstreifen wiedergefunden haben und mit jedem vorbeirauschenden Touristenbus innerlich gehofft und gebetet haben.
Es gibt wohl zwei Ortszentren, das ist einmal ein Family-Mart und einmal ein Seven-Eleven-Convenience-Store. Soweit zur Evolution der japanischen Stadt.
Im Family-Mart-Zentrum steht auch noch die Touristeninfo, gleich neben der weltweit größten Blumenuhr - noch so ein Obscurum japanischer Machart. Um das nicht wirklich ansehnliche Ding betrachten zu können, musste exta ein Holzgerüst erbaut werden, welches nun sehr planlos und einsam in der Gegend rumsteht. Das hier angebrachte WC-Schild (leider habe ich kein Bild gemacht - shame on me!) hat mich dann allerdings schon wieder zum Schmunzeln gebracht, nur die Vorstellung, dass jemand da hoch steigen würde auf der Suche nach dem angepriesenen WC und dann.....hilarious.
Auf der gegenüberliegenden Seite steht ein weiteres Icon von Toi, eine art Holzturm, zu dessen Fusse ein paar an Kneipp erinnernde Wasserbecken zu finden sind. Ebenfalls hier ist der wie überall komplett in Beton gefasste Ausläufer des lokalen Bergbachs, der gerade bautechnisch überarbeitet wird und in Zukunft hoffentlich zugänglicher gestaltet sein wird.
Gegen Mittag war Toi für uns beendet, aber anstatt mühsam mit dem Bus und dem Zug zurück zu kutschieren, haben wir für das erste Teilstück eine Personenfähre bis nach Numazu genommen. Die hat ca. 45 Minuten gebraucht, Bus und Zug hätte doppelt so lange gedauert. Mit dem kleinen Schiff sind wir dann sehr nett vor der Küste entlang gezogen, immer mit einem wunderschönen Blick auf den Fuji! Auch wenn es etwas diesig war an diesem Tag, war der Anblick schon eine Augenweide, einen besseren und ungestörteren Ort gibt es wohl kaum.
Angekommen in Numazu http://de.wikipedia.org/wiki/Numazu haben wir uns gleich in das Viertel neben dem Fischmarkt begeben. Hier kann man nicht nur fangfrisches Meeresgetier erwerben, sondern auch in einem der unzähligen kleinen Seafood-Restaurants speisen, wenn man genug Zeit und Geduld mitgebracht hat. Denn gegen 14 Uhr standen vor jedem Restaurant mindestens 10 Leute in froher Erwartung.
Die Rückfahrt von Numazu nach Tokio hat wirklich ewig gedauert, an diesem Wochenende war wohl eher der Weg das Ziel. Dieser Trip wäre definitiv was für meinen Kumpel Gordon, all die verschiedenen Züge und Bahnen... ;-) Glücklicherweise war der kommende Tag frei, so dass wir doch noch einen ruhigen Tag genießen konnten.
2008.02 Izu |
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