9. November 2007

Herbst



Es wird Herbst in Japan. Oder zumindest ist der Sommer vorbei. Nach einem langen Monat unter dem Thema des im japanischen Kulturkreises seit Jahrtausenden verankerten traditionellen Halloween-Festes im Oktober, geht der Einzelhandel lückenlos in die Weihnachtssaison über. Am 1. November sind alle Kürbisdekorationen verschwunden, und unsere Shopping Mall begrüßt uns mit "Merry Christmas"!

Der Herbst ist eine Jahreszeit, die man in Japan nicht wirklich aktiv wahrnehmen kann. Denn die japanischen Bürokraten haben in den vergangenen Jahrzehnten alle Mischwälder abgeholzt und mit schnell wachsenden Monokulturen aufgeforstet. Und in der Stadt will auch niemand etwas mit dem herabfallenden Laub zu tun haben. Darum ist das herbst-typische Braun höchstens den Werbeplakaten für Reisen nach Europa oder Nordamerika zu entnehmen. Oder den Kunstwerken aus vergangenen Tagen, als es noch Bäume und richtige Wälder in Japan gab.

Die Japaner finden hier ihren eigenen Weg, um mit dieser Situation umzugehen. Sie leben in einer Art Traumwelt, in der die Idealvorstellung stärker wirkt als die trostlose Wirklichkeit. Dies funktioniert so: Es ist November, also Herbst, also wird es draußen unangenehm kühl. Dies wird modisch betont, indem von nun an alle mit Mantel und schicken Schals in der Gegend rumlaufen. Nur zur Information, hier sind es derzeit 17-20 Grad Celsius bei schönstem Sonnenschein, Kaiserwetter sozusagen. Die Japaner interessiert dies allerdings nicht wirklich, es ist Herbst, darum kalt, und es muss Schal getragen werden. Fertig.

Ich sitze derweilen weiterhin in meinem kurzärmligen Hemd in der Sonne neben ihnen und frage mich, wie verschieden man die Wirklichkeit eigentlich wahrnehmen kann...

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