Japan bewirbt sich für die Olympischen Sommerspiele im Jahr 2016. Nun ja, Tokio tut es. Noch genauer, Tokio's Mickey-Mouse-hassender Bürgermeister Shintaro Ishihara tut es. http://www.tokyo2016.or.jp/
Genau 8 Jahre nachdem die Olympischen Sommerspiele im benachbarten aber ungeliebten China stattfanden, glauben die Offiziellen hier wirklich, die Spiele wieder nach Asien locken zu können. Es gibt also ausreichend Anlass zu Zweifeln. Und warum sich gerade eine Stadt wie Tokio bewerben muss, die kaum genügend Fläche für seine eigenen Bewohner aufbringen kann (bzw. diese entsprechend organisieren AKA planen kann), wird auch für viele ein Rätsel bleiben.
In der nationalen Vorentscheidung hat Tokio's Nationales Olympisches Komitee zu Gunsten von Tokio entschieden und gegen Fukuoka, eine Stadt mit gerade mal 1,5 Mio. Einwohnern. Die Entscheidung wird wohl den üblichen Lauf genommen haben, wobei eigentlich nur Tokio eine wirkliche Chance gehabt haben dürfte. Schließlich wird hier alles auf Tokio fokussiert. Hier sitzen die großen Interessengruppen, und diese entscheiden praktisch über alles. Die "ländlichen" Regionen haben kaum eine Möglichkeit auf Mitbestimmung, und der viel zitierte politische Dezentralisierungprozess findet in Japan kaum statt.
Das lokale Bewerbungskomittee hat dann auch schon seine erste Verwarnung vom IOC erhalten - in Brasilien haben Botschaftsmitarbeiter versucht, Informationen über die Bewerbung von Rio de Janeiro zu erhaschen. Hieraus kann man wohl erahnen, wie Politik und Wirtschaft INNERHALB Japans funktionieren müssen.
Eine kleine Reflexion auf vergangene Olympia-Tage in Japan. 1964 hat Tokio diese super-hässliche innerstädtische Autobahn gebracht und die historische Altstadt von Kyoto dem freien Verfall freigegeben. Nagano war im Anschluss an die Winterspiele 1998 von einem unglaublichen Finanzskandal überschattet. Hier sind falsche Bilanzsummen, schwarze Konten, untransparente Auftragsvergabepraktiken und die Verschwendung von Steuergeldern ans Licht gekommen, und just als das NOC und IOC Untersuchungen starten wollte, wurde ein Mitarbeiter der Stadt mit den Dokumenten in den Wald geschickt, um diese zu verbrennen! Ja, manchmal glaubt man sich hier noch im späten 18. Jahrhundert....
Aber mal ganz abgesehen von all diesen politischen Dingen, die Bevölkerung scheint schon mächtig zu trainieren für 2016. Dies kann ich jeden morgen beobachten. Da spurten die Life-Time-Angestellten durch die U-Bahn-Stationen, um zur geliebten Firma und weg von zu Hause zu kommen. Alle im gleichen Business-Look (nur die Farbe der Socken variiert von "000000" bis "FFFFFF"), sieht es fast aus wie eine Mannschaftssportart.
Aber speziell die jungen Damen sind immer wieder ein anmutendes Erlebnis. Eingewickelt in der neusten und chicsten Designermode, mit kurzen, aber stets eleganten Röcken und in High-Heels, rennen auch sie durch die vollen Gänge der U-Bahnstationen. In der linken Hand stets ein Modell der hässlichen hundekotfarbenen Gucci- oder Louis Vuitton-Handtaschen, dazu noch mindestens eine "untergeordnete" Tragetasche (meistens eine Papiertüte eines der großen Warenhäuser), in der rechten Hand das aufgeklappte und mit diversen kindischen Anhängern verzierte Mobiltelefon oder alternativ die zur Tasche passende Geldbörse, scheint sich hier eine neue Sportart zu manifestieren. Der Business-Lauf. Ich bin immer wieder aufs neue verblüfft, wie sie es trotz der nicht sprintgerechten Fußbekleidung schaffen, derart schnell, sicher und geschickt durch die Menschenmassen zu navigieren. Was ein Unterschied zu der deutschen washed-out-Blue-Jeans-und-Sneaker-Mentalität in Deutschland!
Ich kann mir schon die hochauflösenden Fernsehbilder (oder wie immer das Gerät dann heißen mag) im Jahr 2016 vorstellen, wenn anstelle Anabolika-gezüchteter Sprintmachinen aus den USA graziöse japanische Damen in High-Heels und Businessoutfit in den Startblöcken knien, um 100 Meter später einen formlich an ein Mobiltelefon erinnernden Staffelstab weiterzureichen.
Sollte 2016 wirklich Tokio den Zuschlag bekommen, werden wohl Gucci und Prada als Hauptsponsoren fungieren, Adidas oder Nike wird man vergeblich suchen.
Abends rennt hier übrigens niemand aus der Firma. Da trotten alle Angestellten langsam nach Hause, der ein oder andere macht, angekommen am Zielbahnhof, sogar noch eine kleine Pause auf der Wartebank. Die Japaner mögen ihr zuhause anscheinend nicht wirklich, im Vergleich mit ihrer allmorgendlichen Zuneigung zur Firma ist der Nach-Hause-Drang kaum ausgebildet.
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