11. Mai 2007

Essen, Essen, Essen

Die Goldene Woche Anfang Mai, in der die lieben Angestellten in Japan mindestens fünf Tage am Stück nicht in ihren Büros Unterschlupf finden konnten, haben viele genutzt, um zu verreisen. Denn mit zwei weiteren Urlaubstagen (Montag und Dienstag) konnte man die freie Zeit sogar auf 9 Tage ausweiten. Einige Firmen machen in dieser Zeit gleich ganz zu, wie die meiner Freundin…

Reisen findet in Japan aus etwas anderen Motiven statt. Hauptsächlich geht es dabei um die gepflegte Nahrungsaufnahme. So beschäftigen sich einschlägige Reiseführer ausgiebig mit den lokalen (und somit einzigartigen…) Speisen. Ich würde behaupten, dass ein japanischer Reiseführer zu 60%-70% aus Beschreibungen von Restaurants und Speisen besteht. Dies ist ausnahmsweise mal KEINE Übertreibung, sondern entspricht den Tatsachen! Der Rest sind dann die sonst im Zentrum stehenden Themen “Point-of-Interests” sowie Informationen zum Transport, der lokalen Kultur, Karten etc..

Auf jeden Fall ist es in den Reiseführern üblich, alle Speisen mit umfangreichen Bildmaterial darzustellen. Hier wird wirklich alles und jedes gezeigt, selbst ein Bild eines stinknormalen Softeises fehlt in keinem Travelguide. Und daneben wird in etwa gleicher Ausführlichkeit ein kulturell-wichtiges Bauwerk beschrieben.

Aber dass sich beim Thema Reisen tatsächlich alles NUR ums Essen dreht, ist mir diese Woche klar geworden. In Japan ist es nämlich üblich, von Reisen kleine Geschenke mitzubringen –für Freunde und Verwandte, hauptsächlich aber für die lieben Kollegen in der Firma. Nach der Goldenen Woche kommt es in der Firma also zu intensiven Austauschprozessen. Wichtig dabei, der lokale Kontext der Geschenke, zumeist ein in massig Plastik eingeschweißter Snack oder Süßigkeit, Hauptsache der Reiseort ist namentlich auf der Verpackung erwähnt.

Kleinste Unterschiede in der Zubereitung werden hier als lokale Spezialitäten verehrt. Werden zum Beispiel von Region zu Region unterschiedliche Zutaten in die Nudelsuppe gegeben (also zum Beispiel Zwiebeln anstelle von Lauch), ist dies in Japan eine Einzigartigkeit ohne Gleichen und wird mit der gleichen Intensität erlebt wie der Besuch einer vielleicht 500 Jahre alten Burgruine.

Wenn man bei der Übergabe der Mitbringsel (“O-Miyage”) die Chance nutzt, mit dem entsprechenden Mitarbeiter einen kleinen Plausch über die gemachten Reiseerlebnisse zu führen (also die Standardfrage stellt: “Wie war die Reise?”), bekommt man mit 90%-iger Sicherheit zu allererst Ausführungen zu den verspeisten, lokalen Köstlichkeiten zu hören, mehr aber auch nicht!

Ähnliches erlebe ich auch immer wieder, wenn ich neue Japaner kennen lerne und diese dann ganz ungezwungen mit meiner Deutschen Herkunft (NEIN – ich bin kein Amerikaner..) konfrontiere. Nach kurzer Zeit wird dann gefragt und überlegt, ob und welche Leckereien denn aus Deutschland kommen. Hier wird jedoch weiterhin die Meinung vertreten, dass Deutsche sich ausschließlich von Sausages ernähren. Diese gibt es hier überall im Supermarkt zu kaufen, wobei das einzig Deutsche daran die kleine Flagge auf der Verpackung ist – alles andere ist leider…..

Na ja, es gibt wohl kein anderes Volk auf diesem Planeten, welches sich derart intensiv über die Nahrungsaufnahme identifiziert. Verstehen kann ich dies nicht, aber jedem das seine, also guten Appetit liebe Japaner.

p.s. Bei den langen Arbeitszeiten und einem Leben ohne Urlaub läuft es wohl darauf hinaus, dass der Nahrungsaufnahme die grösste Bedeutung zukommt – und schließlich zum zentralen Hobby wird. Für anderes hat man hier ja keine Zeit.

2 Kommentare:

Martin hat gesagt…

Hallo Marcus - in die steckt wohl mehr japanisches Blut als du selbst vermuten würdest, was? ;-)

Anonym hat gesagt…

Hi,hi- genau ich habe ich auch gerade beim Lesen gedacht: "Und? Wo ist das Problem???".
Mir erscheinen Deine Japaner schon jetzt wie Brüder- vor allem weil es auch Schnitzel gibt. Nächsten Frühling komme ich....