18. Juli 2007

Koban

Wenn man sich die Dichte der Polizeistationen in Japan so anschaut, könnte man fast meinen, hier würden nur Verbrecher und Gesetzlose rumlaufen. Dem ist aber nicht so, im Gegenteil, man braucht sich eigentlich nie Sorgen um seine Sachen (in den vollgepackten U-Bahnen) oder seine Sicherheit (am Abend und in der Nacht) zu machen. Das ist in Europa doch schon etwas anders.

Trotzdem gibt es überall, meistens an (ehemaligen) Brücken,kleine Polizei-Boxen, die hier Koban genannt werden. Hauptsächlich sucht man diese auf, wenn man nach dem Weg zu einer bestimmten Adresse fragen will. Zusammen mit den stets freundlichen und hilfsbereiten Polizeimenschen sucht man dann auf den sehr unübersichtlichen Papierkarten nach der gewünschten Adresse (technisch sind die dort nicht auf dem Stand der Dinge. Ein PC mit Google Maps würde hier Wunder vollbringen).


Zuweilen stehen die Boxen auch unbemannt in den Nachbarschaften rum, immer offen, mit einem Telefon ausgestattet, und das Licht brennt auch immer. Diese werden wohl nur temporär aufgesucht, sollen aber trotzdem das Gefühl von erweiterter Sicherheit vermitteln.

Am Sonntag, auf dem Weg zum Yasukuni-Schreinfest haben wir ein Portmonai gefunden, es lag einfach so auf der Straße. Was machen? - Nun, meine Chance war gekommen, endlich mal zur Polizei-Box zu rennen und es abzugeben! Bisher habe ich dort immer nur (erfolglos) nach dem Weg gefragt….

Soviel zum Plan.Eigentlich dachte ich, wir würden es einfach dort abgeben und weiter Richtung Schreinfest laufen. Natürlich habe ich mal wieder die japanische Bürokratie unterschätzt. Einfach abgeben ist nämlich nicht, man muss hierfür ein Formular ausfüllen, denn wenn die Fundsache nach sechs Monaten nicht abgeholt wird, geht sie in den Besitz des Finders über. Und, sollte der Besitzer gefunden werden, muss dieser 20% des Bargeldes an den Finder abdrücken.

Somit musste nicht nur das Formular ausgefüllt werden, sondern auch der exakte Inhalt des Portmonais festgestellt werden. Der aufgrund des Schreinfestes ziemlich beschäftigt wirkende Polizeimensch packt also vor unseren Augen alles fein säuberlich aus, zählt das Geld, untersucht jeden noch so kleinen und verwaschenen Papierfetzen und trägt alles ins Formular ein. (Wenn ich mir überlege, jemand müsste das mit meinem Geldbeutel machen – viel Spaß…)

Wie schon von außen vermutet, handelte es sich um eine Studentengeldbörse, es waren also lediglich umgerechnet 12 Euro an Bargeld drinnen, allerdings samt der Jahreskarte für die U-Bahn sowie dem Wohnungsschlüssel. Dies hat mich doch sehr an meine Studentenzeit erinnert, als ich meine Einkäufe im Supermarkt regelmäßig nach dem spärlichen Vorhandensein an Bargeld ausrichten musste – "Natsukashii" (japanisch für "nostalgisch").

Im Portmonai befanden sich 2 x 1.000 Yen, 1 x 100 Yen, 1 x 50 Yen, 2 x 10 Yen und 3 x 1 Yen (soweit ich mich richtig erinnere). Unser Polizeimeister musste hierzu eine Nebenrechnung auf seinem Notizblock anfertigen, dann hat er aber voller Stolz den Gesamtbetrag ins Formular übertragen können.

Wir haben per Unterschrift von der Belohnung Abstand genommen, ebenfalls von der Bekanntgabe unserer Adresse, für den Fall, dass der Eigentümer trotzdem seine Dankbarkeit ausdrücken will. Wir konnten uns wohl beide vorstellen, wie glücklich er über die Rückkehr seiner Habseligkeiten sein würde.

Am Ende hat der nette Polizeimensch meiner Freundin noch freundlicherweise unterstellt, dass sie doch bestimmt Studentin sein – die hat sich vielleicht gefreut!

Die ganze Geschichte hat gute 20 Minuten gedauert (plus 10 Minuten Umweg auf dem Weg zum Schrein), war aber eigentlich ganz lustig, den Bürokratie-Wirrwarr mitzuerleben. Allerdings weiß ich nicht, ob ich nochmal ein Portmonai finden will, wenn das derart in Arbeit ausartet…

Koban @ Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/K%C5%8Dban
Inside the Box: http://metropolis.co.jp/tokyo/597/feature.asp

Keine Kommentare: