Um 14 Uhr treffen wir meinen Bekannten Jim im Hotel. Er ist in Sydney geboren und aufgewachsen, zudem Architekt und Stadtplaner. Mit ihm werden wir die nächsten drei Stunden durch Sydney laufen, viel sehen und viel über die Stadt und ihre Geschichte lernen.
Wir starten im Viertel
The Rocks, unweit von unserem Hotel. Das Gebiet
The Rocks ist das ursprüngliche Siedlungsgebiet der Europäer, die 1788 nach Australien kamen. Zum Bau der Harbour-Bridge (Fertigstellung 1957) wurde bereits ein Teil der Bebauung, die vornehmlich aus dem frühen 20. Jahrhundert stammt, abgerissen. In den 1960er Jahren wollte die Stadtregierung das Viertel dann komplett vernichten, um Platz für eine verdichtete Wohnbebauung zu machen. Dies wurde glücklicherweise von Bürgerinitiativen verhindert. Heute ist der Stadtteil wunderbar restauriert, es gibt viktorianische Fassaden zu bewundern, Durch die unzähligen Kneipen, Restaurants, Künstler und Museen ist es ein lebhaftes Viertel, welches kaum etwas von seinem ursprünglichen Charme verloren hat (auch wenn es früher wohl eher einen zweifelhaften Ruf hatte, speziell durch die ganzen Vergnügungsstätten und Arbeiterwohnungen).
Unser Spaziergang führt uns vorbei an der
Circular Quay, wo heute eine Vielzahl von Passagierschiffen anlegen. Früher wurden hier die Rohstoffe angeliefert. Im Hintergrund hat sich das Geschäftszentrum entwickelt, mit seinen Wolkenkratzern nicht jedermanns Sache, vor allem die relative dunklen Straßenzüge wirken teilweise trist und traurig. Die Stadt hat über die Jahre der wirtschaftlichen Entwicklung Tribut zollen müssen und die maximale Bauhöhe nach und nach angepasst. Heute stehen hier Gebäude von Foster+Partner, Renzo Piano und den anderen üblichen Verdächtigen. Highlight ist wohl unbestritten das erste Projekt von Renzo Piano in Australien - "Aurora Place" (Info:
http://www.auroraplace.com.au,
http://en.wikipedia.org/wiki/Aurora_Placehttp://www.sydneyarchitecture.org)
Am anderen Ende der
Cirular Quay, am Beginn der
Royal Botanic Gardens, sind in einem Open-Air-Park Relikte vergangener Bauperioden gesammelt und ausgestellt – nun ja, sie liegen halt auf einer grünen Wiese herum. Hier können wir uns von der excellenten Qualität des Sandsteins überzeugen, aus dem Sydney vornehmlich gebaut wurde. Durch den Park geht es zum ehemaligen königlichen Gestüt, ein schönes Gebäude, welches heute zusammen mit seinem Anbau das Konservatorium für Musik beinhaltet.
Entlang der MacQuarie Street finden sich die Sydney Library und das Sydney Hospital, die ersten öffentlichen Gebäude Australiens. Das Krankenhaus kann mit einem wunderschönen Innenhof aufwarten.
Die Straße wurde von einem britischen-Gefangenen geplant, einem Architekt, der in England des unerlaubten Gelddrucks beschuldigt und exportiert wurde.
Wir kommen am südlichen Ende des Hydepark a. Hier gibt es die
Hyde Park Barracks (
Info) zu sehen, ebenso die St. Marys Cathedral.
Weiter geht es in Richtung Einkaufszentrum. Hier steigen wir in die Monorail, die uns in einer ca. 30-minütigen Fahrt durch das Stadtzentrum, vorbei am D
arling Harbour (
Info)und Chinatown bringt.
Darling Harbour ist in den letzten Jahren hervorragend umgestaltet worden. Hier gibt es einen tollen Walk entlang der Bucht, mit Restaurant und Kneipen. Ehemalige Docks und Lagerhallen sind in Wohnkomplexe umgestaltet worden. Neu dazu gekommen sind das Exhibition Centre und das Convention Centre. Hier lässt es sich wirklich sehr gut aushalten, was wir auch zu einer Kaffeepause in einem der Restaurants nutzen.
Der Weg zurück zum Hotel führt über die “Hungry-Mile”. Diese an den Schiffs-Anlegestellen verlaufende Straße hat ihren Namen aus der Zeit der Wirtschaftsrezession erlangt, als sich hier täglich Menschenmengen versammelten, in der Hoffnung, auf einem der Schiffe einen Tagesjob zu ergattern.
Das letzte Stück unseres Spaziergang führt uns vorbei an den ursprünglichen Wohnhäuser der Hafenarbeiter zu der wohl ältesten Kneipe in Sydney.
Jim ist hier schon als kleines Kind ein und ausgegangen. Und wir haben Glück, denn während wir ein kühles Bier genießen, können wir zu der wöchentlich stattfindenden Live-Performance einer Band (deren Name ich leider vergessen habe) lauschen. Alle Bandmitglieder sind weit über 80 Jahre, überzeugen allerdings durch Spielfreude an der Gitarre, am Klavier, der Trompete und den Percussions. Und der Stimme der mit viel wohlwollen geschätzten 85-jährigen Sängerin verleit dem soeben gespielten Édith Piaf Song sehr viel Seele.
Dies war der krönende Abschluss eines fantastischen drei-Stunden-Ausflugs mit Jim. Wir haben hier mehr Informationen über Sydney und Australien erhalten als in den vergangenen vier Tagen. Ich würde fast behaupten, dass die Reise ohne diese Tour völlig für die Katz gewesen wäre. Glücklicherweise hatten wir Jim an unserer Seite!
Fortsetzung folgt.P.S. Ich hoffe, dass ich alles halbwegs richtig in Erinnerung behalten habe, ist schließlich schon wieder fast einen Monat her...